Berlin Tag 6: Berlin zu Fuß

Mein heutiger letzter voller Tag in Berlin führte mich zu Fuß an diverse Punkte der Stadt. Zuerst traf ich beim Frühstücken eine ganz liebe Bekante, die hier in Berlin lebt. Da wir uns nicht allzu häufig sehen können, tat dieses Treffen sehr gut. Im Anschluss machte ich mich zu Fuß auf in Richtung Zoologischer Garten. Der Korrektheit halber muss ich dazu sagen, dass ich ein Stückchen im Auto bis zum Zoologischen Garten mitgenommen wurde. Von dort aus aber begann mein Berliner Spaziergang.

Der Zoologische Garten – ausschließlich ein Fotomotiv von außen

Den Zoologischen Garten besuchte ich nicht, lediglich von außen, um ihn mit der Kamera festzuhalten. Der Eingang ist aber auch zu schön. Ich startete von dort aus in Richtung Gedächtniskirche und ging weiter, bis ich Richtung Ku’damm gelangte.

Buntes Berliner Treiben – voller Fröhlichkeit

Immer wenn ich in Berlin weile, fällt mir auf, dass das Großstadttreiben fröhlich und ungezwungen ist. Ob es die Menschen – Große wie Kleine – sind, die bei diesen heißen Temperaturen ihre Abkühlung im Brunnen suchen, oder die politische Veranstaltung einer kurdischen Gruppe, die friedlich mit orientalischer Musik den ganzen Platz beschallt. Während diese Rhythmen in Kombination mit den sommerlichen Temperaturen tatsächlich ein südländisches Urlaubsgefühl hervorriefen, stand eine Gruppe wohnungsloser Männer beisammen, die sich mit freiem Oberkörper ebenfalls im Brunnen erfrischten. Einer von ihnen war so vom Rhythmus der Musik gefangen, dass er gleich einen orientalischen Bauchtanz hinlegte, gar nicht mal so schlecht. Er bewies jede Menge Rhythmusgefühl und sehr beweglich Hüften. Dazu sollte man wissen, dass der Bauchtanz ursprünglich ohnehin ein Männertanz war. Als ich mir das Treiben so ansah, dachte ich mir, wie friedlich vereint doch hier die verschiedenen sozialen und kulturellen Gruppen einfach zusammen Spaß haben können. So geht es also auch – wenn man nur möchte.

Das Hardrockcafe auf dem Ku’damm – Wasser, Wasser und nochmals Wasser

Bei solch drückend heißen Temperaturen gerät der körpereigene Wasserhaushalt leicht ins Defizit und muss schnellstmöglich reguliert werden. So nutzte ich die Gelegenheit auf dem Ku’damm, um mich draußen vor dem Hardrockcafe niederzulassen und eine ganze Flasche Mineralwasser zu trinken. Dies blieb heute übrigens nicht meine einzige große Flasche Wasser, ebenso wenig wie gestern. Ich saß, trank, ruhte mein angeschlagenes Knie aus und genoss es, einfach nur Menschen zu beobachten. Vor dem Hardrockcafe stand ein Mann, der irgendwelche Flyer verteilte oder verteilen musste. Unermüdlich versuchte er jedem, der ihm entgegen kam, seine Informationen in die Hand zu drücken. Bei den wenigsten gelang ihm das. Zeitgleich machte sich eine Dame von der organisierten Bettelmafia daran, von uns Gästen etwas an Kleingeld zu ergattern. Lange wurde sie nicht geduldet, weil der Kellner sie sofort verscheuchte, sobald er ihrer gewahr wurde. Ich hätte noch stundenlang hier sitzen können, wollte aber auch noch etwas weiterkommen. So brach ich auf.

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Wachsfiguren und Shopping-Lust

Auf dem Ku’damm kam ich natürlich an hübschen Lädchen vorbei, bei denen ich mir die Shopping-Lust verkneifen musste. Erst dachte ich daran, allen zuhause Gebliebenen etwas Hübsches mitzubringen, hielt die Idee dann dennoch für weit übertrieben. Das Foto wird zeigen, warum.

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Auch bei Madame Tussauds blieb ich  diesmal wieder standhaft. Ich bin einfach zu geizig, mir für knapp 30,- Euro ein paar Wachsfiguren anzusehen. Das tat ich vor paar Jahren schon nicht und ließ es auch heute wieder sein. Das nächste Mal werde ich mir ein Online-Ticket vorab besorgen. Dann kostet der Eintritt die Hälfte, was auch für mich völlig in Ordnung und angemessen ist.

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Schweigen ist nicht gleich Sitzen in Stille

Wenn etwas zu meinen Lieblingsorten in Berlin zählt, ist es der Raum der Stille im Brandenburger Tor. Wann immer ich in Berlin bin, muss ich einmal dort sitzen. Der Raum der Stille ist ein perfekt schallisolierter Raum, der keinerlei Außengeräusche hereinlässt. Während draußen das massentouristische Leben tobt,  verstummt jedes Geräusch, sobald man die Türe hinter sich schließt. Hier kann ich so schön abschalten, zur Ruhe kommen und für einen kurzen Moment ganz eins mit mir selbst sein. Es hat etwas von einer Zen-Meditation. Im Raum der Stille wird – wie der Name vermuten lässt – nicht gesprochen. Zuerst saß ich alleine dort. Dann kamen nach und nach andere Menschen herein, die sich setzten und … schwiegen. Niemand sprach ein Wort aber sie waren nicht still. Niemandem von ihnen gelang es, einfach in Stille zu sitzen. Schweigen ist nicht gleich Sitzen in Stille. Mehrere junge Touristinnen raschelten mit ihren Flip-Flops. Ein paar junge Mädchen, die später hereinkamen, mussten sich ob der Stille beherrschen, nicht laut loszuprusten. Dabei zogen sie allerlei witzige Grimassen, weil es ihnen offensichtlich schwerfiel, nicht laut zu lachen. Als der Druck zu groß wurde, gingen sie wieder hinaus. Eine Familie kam und setzte sich. Zwar schwiegen auch sie, doch im Schweigen schrien sie alle durcheinander. Wie das gehen soll? Das kann man nur erfahren, wenn man es selbst ausprobiert. Dann weiß man, was ich meine. Es spielt keine Rolle, ob du schweigst, also nicht sprichst. Solange dein Geist nicht still ist, plappert er wortlos durcheinander. Und ich merke das – nicht mit den Ohren, sondern mit dem Herzen. Mir fiel sowieso auf, dass es kaum jemand mehr als maximal 5 Minuten in dem Raum aushielt. Sind wir so unruhig, dass Stille uns zur Qual wird? Ich saß dort vermutlich geschätzte 30 Minuten und wollte eigentlich für immer dort sitzen bleiben. Ich war ganz still, denn mein Geist war still. Mich störten die Menschen in meiner eigenen Stille nicht. Ich nahm sie zur Kenntnis aber sie brachten meine eigene Ruhe nicht durcheinander. Trotzdem musste ich irgendwann wieder zurück nach draußen in den Alltag, in den Lärm und in das hektische Treiben. Um die Ecke beim Hopfinger Bräu trank ich dann meine nächste große Flasche Wasser und aß etwas.

Chewing Gum Art – ist das jetzt angesagt?

Nach dem Essen im Hopfinger Bräu ging ich Richtung Unter den Linden, zog es aber vor, ab jetzt S- und U-Bahn zu nehmen. Auf dem Weg zur S-Bahn-Station sah ich etwas, das meine Aufmerksamkeit sofort fesselte: Linden, deren Stämme von oben bis unten mit zahllosen, ausgelutschten Kaugummies beklebt sind. Chewing Gum Art – ist das jetzt neuerdings angesagt? Muss ich mir das so vorstellen, dass einer anfing und viele es nachmachten? Oder waren es ganze Schulklassen, die alle gleichzeitig ihre Kaugummies dort entsorgten? Wollen oder sollen mir diese derart verzierten Stämme etwas sagen? Ich bin ratlos und das passiert mir nicht oft.

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Eines weiß ich ganz sicher, ich werde bestimmt in absehbarer Zeit wieder einmal nach Berlin fahren. Ob ich mich dann nochmals für meine aktuelle Pension entscheide, wage ich zu bezweifeln. Nun gut, es muss auch nicht gleich das hier sein:

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Aber irgendetwas dazwischen werde ich mir dann aussuchen. Morgen geht es zurück nach Osnabrück. Der letzte Tagebucheintrag von diesem Urlaub wird dann von zuhause aus online gestellt. Danach gibt es erst mal eine kleine Pause, bis wieder ein Urlaub, ein Wochenend-Trip oder ein Tagesausflug ansteht.

Berlin, 25.06.2016                              Sigrun Hopfensperger

Berlin Tag 5: Blues-Rock im Quasimodo

Nach einem letzten opulenten und traumhaften Frühstück ging es frisch gestärkt vom Spreewald weiter in Richtung Berlin. Hier verbringe ich noch 2 Tage bis zu meiner Heimreise am Sonntag. Die Fahrt dorthin war – wie immer – entspannend und gemütlich über die Dörfer, aus den Lautsprechern tönten alte Jazz- und Bluesscheiben. Da kann es einem nur ganz hervorragend gehen.

Sich niemals verkleinern …

… lautet eine altbewährte Devise. Will meinen: Man soll sich niemals verschlechtern. Verbessern geht immer aber verschlechtern niemals. Leider lässt sich das nicht immer so steuern. Als ich in meiner Berliner Pension eingecheckt und das Zimmer bezogen hatte, sah ich, wo ich gelandet bin: in einer ca. 7 Quadratmeter großen Minibude mit Dusche und Waschbecken zwar, dafür aber Gemeinschaftstoilette auf dem Flur. Dafür hat das Zimmer andere Vorzüge:

Zum einen ist es – für Berliner Verhältnisse – sehr preisgünstig. Zum anderen liegt es relativ nahe am Quasimodo, jenem Club, in dem ich abends zum Konzert gehe wollte. Und da ich nicht beabsichtige, hier mit meinem ganzen Hab und Gut einzuziehen und auch nicht geplant habe, hier eine Party zu feiern und Walzer zu tanzen (oder wohl eher Lindy Hop), reicht mir das kleine Zimmer aus. Ich will hier schließlich nur schlafen, sofern das in einem quietschenden Bett mit viel zu weicher und durchgelegener Matratze problemfrei möglich ist. Hat einen gewissen Charme à la Bohème …

Die Hackeschen Höfe – Pflichtprogramm bei jedem Berlinbesuch

Ich plante, mich mit lieben Osnabrücker Freunden, die ebenfalls gerade zur Zeit hier verweilen, zu treffen. Treffpunkt sollte der Kiez am Prenzlauer Berg werden. Bis ich mich aber treffen konnte, hatte ich noch etwas Zeit. Zeit genug, um mein Pflichtprogramm, das bei jedem Berlinbesuch ansteht, absolvieren zu können: einen Besuch in den Hackeschen Höfen. Dort gönnte ich mir kühle, alkoholfreie Drinks, was bei der Hitze und drückenden Schwüle  wichtig ist, sowie einen Salat. Natürlich hielt ich die Höfe in einigen Bildern fest, obwohl ich sie schon unzählige Male fotografiert hatte. Diese Höfe haben einen so unbändigen Charme. Sie ziehen nicht umsonst Besucher aus aller Welt an, die sich von den Hinterhöfen, die mit viel Liebe bepflanzt wurden und so kleine grüne Oasen geschaffen haben im Herzen der pulsierenden Großstadt, genauso faszinieren lassen wie ich. Sollte ich Großstadtkind jemals wieder zurückziehen in die Großstadt, wäre dies genau die Art, wie ich leben möchte: Ruhig, grün, Altbau, urig.

Der Kiez am Prenzlauer Berg – der Duft der Großstadt

Es sieht sehr urig aus, das Kultviertel am Prenzlauer Berg. Prächtige Altbauten, ein gelassenes Flair von Sraßencafés … Es hat was. Da ich hier mit einer lieben Freundin verabredet war, ließ ich mich im „Weinberg“, einer ganz zauberhaften kleinen Weinhandlung mit Bar und Straßencafé nieder. Ich konnte ihn wieder ganz in mir aufsaugen, den Geruch, den ich mit meinen ersten Atemzügen eingeatmet hatte und der mich später nie wieder loslassen sollte: den Duft der Großstadt. Als Münchnerin bin ich ein Kind der Großstadt. Ich fühle mich in meiner Wahlheimat Osnabrück sehr wohl und möchte von dort auch nicht mehr unbedingt weg. Dennoch schlummert in mir eine tiefe Sehnsucht nach dem Geruch der Großstadt, die ich hin und wieder befriedigen muss. Es reicht, wenige Tage in einer Großstadt zu verbringen, egal ob München, Hamburg, Köln oder eben Berlin. Ich will diesen ganz speziellen Duft einfach nur einatmen. Wie ein Junkie, der einen Schuss braucht, um eine Weile wieder über die Runden zu kommen, bis die Sucht sich wieder meldet.

Stadtflair alleine reicht nicht aus. Auch Osnabrück ist eine große Stadt mit sehr viel Charme und Flair. Nicht umsonst fühle ich mich dort wohl. Aber Osnabrück ist keine Metropole wie die großen Städte dieser Welt. Eine Großstadt riecht anders, fühlt sich anders an, sie pulsiert und summt unentwegt vor sich hin wie ein Bienenstock, in dem auch bei der Nachtruhe stets ein harmonisches Brummen von dem Volk darin ausgeht. Und die Großstadt riecht anders … Es ist ein Duft, der jenen süchtig macht, der aus der ihr entstammt. Wer diesen Duft nicht bereits als Kleinkind eingeatmet hat, wird es niemals verstehen. Dabei sind die innerstädtischen Nebenviertel wunderschön und voller Charme – so auch der Prenzlauer Berg.

Das Highlight – Jimmy Gee im Quasimodo

Endlich war es soweit, der Abend war da und das Konzert im Quasimodo, einem der renommiertesten Jazz- und Musikclubs in ganz Europa, rückte näher. Ich freute mich darauf, hier vor Ort einen der besten Rock- und Bluesgitarristen live zu erleben, den Deutschland derzeit zu bieten hat: Jimmy Gee und seine Band. Leider hatte ich meine Kamera nicht mitgenommen, da mir nicht bewusst war, dass ich dort hätte fotografieren dürfen. Das Konzert war grandios. Er spielte alte und neuere eigene Stücke und Songs aus seinem brandneuen Album. Dazwischen bot er immer auch Coversongs dar. Sehr schön von ihm auch seine Interpretation von Leonard Cohens „Hallelujah“. Seine Stimme korrespondiert natürlich auch ganz hervorragend mit Jon Bon Jovi, was der Grund dafür sein mag, dass er auf seinen Konzerten gerne Bon Jovi Songs covert. Überhaupt war das ganze Programm sehr vielseitig. Wir bekamen Guitar Blues vom Feinsten geboten, der John Mayall & The Bluesbreakers in nichts nachstand. Wir bekamen aber auch härtere Klänge aus den Kategorien „Hardrock“, „Heavy Rock“, „Progressive Rock“ und sogar eine Covernummer aus dem Bereich „Country Rock“ (Honky Tonk Woman). Ich kam voll und ganz auf meine Kosten. Glücklich und zufrieden ging ich gegen halb drei in mein viel zu unbequemes Bett und sank – trotz allem – in einen erholsamen Schlaf.

Berlin, 24.06.2014                           Sigrun Hopfensperger